„Die Zukunft ist für mich ein Raum voller Möglichkeiten.“
Im Gespräch mit Vitra-Trendscout Raphael Gielgen.
Seit Jahrzehnten entstehen bei Vitra Möbelstücke, die mit erstaunlicher Regelmäßigkeit zu Design-Ikonen werden. Zu verdanken hat das Unternehmen dies seinen visionären Autoren, wie Vitra seine Designer nennt, die ein Gespür für Trends und langlebige Produkte haben. Trendscout Raphael Gielgen hilft Vitra auf der Suche nach dem Ungesehenen. Er bringt von seinen Reisen – für Vitra ist er 200 Tage im Jahr unterwegs – frisches Wissen und neue Strömungen in das Unternehmen und unterstützt damit Felder, auf denen Vitra tätig ist – von der Büroeinrichtung bis hin zur Findung der passenden Arbeitsumgebung für seine Kunden. Auf dem Vitra Campus in Weil am Rhein haben wir ihn getroffen und ihn mit der Zukunftsvision von
Wenn Raphael Gielgen nicht durch Metropolen rund um den Globus reist, liegt sein Arbeitsplatz idyllisch: im äußersten Südwesten Deutschlands. In Weil am Rhein, um genau zu sein. Ein kleiner, unscheinbarer Ort direkt an der Grenze zur Schweiz und zu Frankreich. Doch bereits beim ersten Schritt auf den Vitra Campus wird klar, dass es hier alles andere als gemächlich zugeht. Zwischen progressiver Architektur und inspirierender Landschaftskunst sind große Ideen zuhause. Nicht umsonst treten von hier aus Design-Möbel wie die berühmten Eames Lounge Chairs ihren Siegeszug in die Welt an. Ikonen des modernen Interieur-Designs – produziert in Weil am Rhein.
Um nicht mit leeren Händen zu erscheinen, haben wir dem Mann, der sich tagtäglich mit der Zukunft beschäftigt, etwas mitgebracht: unsere Vision für die Mobilität von morgen – den
Herr Gielgen, fangen wir doch einmal ganz einfach an: Ihr offizieller Arbeitstitel lautet Trendscout Future of Work. Sie sind ständig unterwegs und lesen ca. 700 Artikel rund um Zukunftsthemen im Jahr. Was genau machen Sie eigentlich bei Vitra?
Also eigentlich ist es genauso, wie Sie es beschreiben: Ich reise sehr viel durch die Welt und schaue mir die Protagonisten einer neuen Zeit an, die Dinge machen, die vorher noch keiner gemacht hat. Und das im Kontext einer veränderten Arbeitswelt.
“Pioneer experience is about fighting against old ways of thinking.“
Und was genau hat Vitra davon?
So wie Kolumbus mit seinem Schiff zurückkam, komme ich mit all meinen Erfahrungen und Eindrücken zurück. Und teile sie mit dem Unternehmen. Dann obliegt es natürlich meinen Kollegen, was sie alle aus meinen Fundstücken machen. Meine Aufgabe ist es, die Geschichten, die ich erlebe, die Sachen, die ich entdecke, so authentisch und so stark wie eben möglich zu transportieren.
Dabei sagen Sie selbst von sich, dass Sie sich stets außerhalb der Box bewegen, auf der groß Vitra geschrieben steht.
Ganz genau. Unser Unternehmenskern ist unser ganzes Wissen und die Erfahrung um die Themen Design und Architektur. Das Ergebnis sind Produkte von einer herausragenden Qualität, die eine hohe Begehrlichkeit bei unseren Kunden auslösen. Ich halte mich von diesem Kern bewusst fern. Denn meine Aufgabe ist es, viele Fundstücke um diesen Kern herum zu finden. Und die ins Unternehmen zu transportieren. Damit meine Kollegen teilhaben an dieser Welt, die da draußen passiert. An Protagonisten, an Neuigkeiten. Damit auch sie neugierig bleiben und Dinge hinterfragen.
Das Neuland, das Sie erschließen wollen, ist die Zukunft. Warum setzen Sie immer wieder Ihr Segel dorthin?
Ich bin fast besessen von all den Möglichkeiten, die es da draußen gibt. Sie zu erfahren und zu erleben. Zu begreifen. Und möglichst vielen Menschen mitzuteilen. Und wissen Sie, was die Zukunft damit zu tun hat? Die Zukunft ist für mich ein Raum voller Möglichkeiten. Der größte, den es gibt.
Sehen Sie sich selbst als Pionier?
Ja, wobei ein Pionier für mich mehr ist als jemand, der nur Visionen sammelt. Bertrand Piccard, der bekannt ist für seine Pionierleistungen – sei es mit Heißluftballon oder Solarflugzeug –, bringt es für mich ganz gut auf den Punkt: „Pioneer experience is nothing about new ideas. Pioneer experience is about fighting against old ways of thinking.“ Übersetzt heißt das für mich: mit allem aufzuräumen, woran man glaubt oder wovon man überzeugt ist. Als ich diesen Satz zum ersten Mal gehört habe, hat sich meine Agenda verändert.
Die Möbelklassiker von Vitra gehören zum bahnbrechenden Design des 20. Jahrhunderts. Das Familienunternehmen pflegt dauerhafte Beziehungen zu Kunden, Mitarbeitern und Designern und steht für langlebige Produkte, ein nachhaltiges Wachstum und die Kraft guten Designs. Der Vitra Campus, an dem international führende Architekten mitgewirkt haben, das Vitra Design Museum mit seinen Ausstellungen über Design und Architektur, die Design-Archive und die umfassende Möbelsammlung des Unternehmens sind Teil von Vitra. Sie inspirieren Besucher, regen den Designprozess an und schaffen ein Klima, in dem Innovation blühen kann.
Die Vitra-Firmengründer Willi und Erika Fehlbaum gelten wie Ferry
Wenn man richtig mutig ist, dann betritt man ein Feld, das eigentlich noch keiner betreten hat. Und daraus kann etwas entstehen, was radikal und neu ist. Mut ist im Kontext der Zukunft ein wesentlicher Aspekt. Da reicht ein Blick auf die Menschheitsgeschichte. Die Pioniere, die uns vieles möglich gemacht haben, hatten eines gemeinsam: Das waren alles mutige Menschen.
„Gleichzeitigkeit ist die größte Herausforderung unserer Zeit.“
Im Design dagegen spielt Zeitlosigkeit eine große Rolle. Was sagt uns das über die Zukunft?
Also eines muss man bedenken: In dieser schnelllebigen Zeit suchen die Menschen ja Dinge, an denen sie sich festhalten können. Deshalb ist gutes Design zeitlos. Es übersteht Moden, Trends, verschiedene Zeitepochen. Das ist bei Möbelklassikern genauso wie bei den Fahrzeugen von
„Ich verstehe die Leute, die den Taycan am liebsten sofort bestellen würden.“
„Was würde Ferry Porsche heute tun?“
Und welche Rolle kann
Wie ich schon sagte, die Revolution der Mobilität geht über das Auto hinaus. Nehmen Sie nur das Beispiel Ladezeiten. Hier begeistert mich das 800-Volt-Konzept des
Nun sind
Das Größte, was diese beiden Unternehmen haben, ist ihr Gedächtnis, ihre Geschichte. Bei uns gibt es diesen Satz: „What would Charles say?“ Also Charles Eames, mit dem das Unternehmen sehr verbunden war und durch den sehr viel passiert ist. Aus all dieser Geschichte, diesem Gedächtnis entsteht eine Anleitung, eine Orientierung, auch in der heutigen Zeit. Das ist von einem unschätzbaren Wert. Wie der Familien-Code. Firmen mit so einem reichen Erbe haben jetzt die große Chance, die Geschichte zu wiederholen. Übrigens auch eine interessante Frage an Ihr Unternehmen: Was würde Ferry
Die Frage geben wir gerne zurück: Der
Ja, ich glaube schon. Es steckt viel von seinem Geist in diesem Auto. Man hat eine klare Zuordnung zur
Der Besuch aus der Zukunft hat dem Trendscout sichtlich Spaß gemacht. Eine weitere Begegnung, die er mitnimmt in die Vitra Welt. Die seinen Blick auf die Welt von morgen schärft. Auf eine Designsprache, die optimistisch nach vorn blickt. Auf Technologie, die genauso viel Fahrspaß wie ökologische Vernunft verspricht. Auf all die Möglichkeiten, die ein Sportwagen entfalten kann – seit nunmehr 70 Jahren.