Porsche - Schauplatz der Legenden

Schauplatz der Legenden

Er wird vergöttert – und verteufelt. Der Nürburgring bewegt wie keine andere Rennstrecke dieser Welt. Eröffnet am 18. Juni 1927, wird er in wenigen Wochen 90 Jahre alt. Auf der legendären Nordschleife des Nürburgrings wurde viele Male Renngeschichte geschrieben – nicht zuletzt von Porsche. Der Christophorus erinnert an zehn besonders denkwürdige Momente.

1927

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Großer Preis von Deutschland auf dem Nürburgring 1927: Siegerehrung von Otto Merz in Stuttgart-Untertürkheim mit Ferdinand Porsche (5. v. re.).

Der Kraftakt des Ferdinand Porsche

30 Tage nach der Eröffnung des Nürburgrings vor 85.000 Zuschauern wird der Große Preis von Deutschland ausgetragen. Nach knapp fünf Stunden und 500 Kilometern feiert Mercedes einen Dreifachsieg, angeführt von Otto Merz, einem 38-jährigen Schlossersohn aus Esslingen. Es ist auch der große Triumph des Ferdinand Porsche. Er hat den Mercedes-Motor des Typs S erschaffen, den Kraftprotz der Kompressor-Ära: 6,8 Liter Hubraum, bis zu 180 PS. Dank Ferdinand Porsche erreicht der Motorsport eine neue Dimension. Auch der Nürburgring setzt Maßstäbe. Rudolf Caracciola hat sofort Ehrfurcht vor der (zu dieser Zeit) 28 Kilometer langen Strecke: „So etwas haben wir noch nie erlebt. Bärig schwer. Wird man eine Stelle, die 95 km/h verlangt, mit 105 km/h anfahren und den Wagen nur leicht übersteuern, dann wird der Pilot für gewöhnlich zehn Minuten später mit dem Sanitätsauto abgeholt.“

Datum: 17. Juli 1927
Sieger: Otto Merz
Auto: Mercedes Benz Typ S
Distanz: 18 Runden à 28,265 km (Nord- und Südschleife)
Siegerschnitt: 101,8 km/h

1936

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Start eines temporeichen Rennens: Viele Olympia-Teilnehmer sehen 1936 einen atemberaubenden Schlagabtausch am leicht umgebauten Ring. Verstärkung (Foto rechts): Bernd Rosemeyer mit seiner Gattin Elly Beinhorn (links) und Ferdinand Porsche (rechts).

Wunderwagen mit 16 Zylindern

Am Karussell ist eben erst die Schrägbahn mit 33 Prozent Neigung installiert worden. Der Große Preis von Deutschland steht ganz im Bann der nahenden Olympischen Spiele in Berlin, bei einer Sternfahrt und mit 23 Sonderzügen sind Olympia-Sportler und 30.000 Touristen in die Eifel gekommen – von der indischen Hockeymannschaft bis zu den Reitern aus Rumänien. Das Rennen bietet 220.000 Zuschauern ein Duell von Mercedes und Auto Union, das am Ende Auto Union gewinnt. Bernd Rosemeyer siegt vor seinem Teamkollegen Hans Stuck. Es ist auch ein weiterer großer Erfolg für Ferdinand Porsche. Er hatte diesen Wagen, den dritten (deshalb Typ C) in der Grand-Prix-Geschichte der Marke, entwickelt. Der 16-Zylinder-Motor leistet 520 PS, er ist bis zu 320 km/h schnell. Der Wunderwagen bricht im Lauf seiner Geschichte mehr als 30 Weltrekorde im Rennsport.

Datum: 26. Juli 1936
Sieger: Bernd Rosemeyer
Auto: Auto Union Typ C
Distanz: 22 Runden à 22,810 km (Nordschleife)
Siegerschnitt: 131,65 km/h

1956

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Triumph: Wolfgang Graf Berghe von Trips (links) und Umberto Maglioli (2. v. re.) feiern ihren Klassensieg. Kurzer Stopp: Umberto Maglioli (Foto rechts) beim Betanken seines Porsche.

Siegen für die Geschichte

Die Sportwagen-Weltmeisterschaft 1956 ist ein Schaulaufen einiger der größten Piloten aller Zeiten. Auch Juan Manuel Fangio und Sir Stirling Moss wollen sich das vierte Rennen der Saison, die 1.000 Kilometer auf der Nordschleife, nicht entgehen lassen. Mehr als 70.000 Fans kommen, um das Rennen zu verfolgen und um die vielen Porsche-Modelle zu bewundern: 22 Privatteams bringen sechs Porsche 550 A Spyder sowie 16 Porsche 356 und 356 Carrera an den Start. Und dann ist da noch das Werksteam, das zwei Porsche 550 Spyder einsetzt, mit Wolfgang Graf Berghe von Trips und Umberto Maglioli sowie Richard von Frankenberg und Hans Herrmann. Trips und Maglioli erreichen den vierten Platz in der Gesamtwertung und damit den ersten Klassensieg für Porsche in der Kategorie bis 1,5 Liter Hubraum. Der andere 550 fährt als Zweiter durch das Ziel. Gesamtsieger werden die Maserati-Piloten Taruffi / Schell / Behra / Moss.

Datum: 27. Mai 1956
Sieger (Klasse S 1,5 Liter): Wolfgang Graf Berghe von Trips, Umberto Maglioli
Auto: Porsche 550 A Spyder
Distanz: 44 Runden à 22,810 km (Nordschleife)
Siegerschnitt der Gesamtsieger: 129,8 km/h

1967

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Nach dem Rennen: Udo Schütz und das Siegerauto mit der Nr. 17.

1.000 Kilometer für die Ewigkeit

Während die Formel 1 in Deutschland sechs Jahre nach dem Tod von Graf Berghe von Trips und zwölf Jahre nach dem Ausstieg von Mercedes schwierige Zeiten erlebt, beginnt eine Phase großer Sportwagenrennen – angeführt von Porsche. Beim 1.000-Kilometer-Rennen ist das Fernsehen live dabei. Und sendet Historisches in die Welt: Erstmals gewinnt ein Rennwagen aus Zuffenhausen die Gesamtwertung. Aber der Nürburgring schreibt auch hier ein Drama. Der letzte Akt des Rennens ist mit pechschwarzer Tinte verfasst – die klar führenden Lucien Bianchi und Gerhard Mitter scheiden in der finalen Runde mit einer defekten Lichtmaschine aus. Trotzdem feiert Porsche einen Vierfachsieg. Ganz vorne: Udo Schütz/Joe Buzzetta. Wie schnell in diesen Rennsportjahren aus einem Drama eine Tragödie wird, zeigt sich in der übernächsten Saison: Bianchi stirbt im Frühjahr 1969 in Le Mans, Mitter im August auf dem Nürburgring.

Datum: 28. Mai 1967
Sieger: Udo Schütz, Joe Buzzetta
Auto: Porsche 910
Distanz: 44 Runden à 22,810 km (Nordschleife)
Siegerschnitt: 145,5 km/h

1970

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Countdown: Kurt Ahrens (Foto links) und Vic Elford wenige Stunden vor ihrem Triumph.

Porsche gewinnt den Weltmeistertitel

1.000-Kilometer-Rennen sorgen immer wieder für faszinierende Momente, wie der „fliegende“ Porsche 908/02 von Richard Attwood 1969 eindrucksvoll zeigt (Siehe Titelbild). Ein Jahr später, in den Stunden, in denen in Mexiko die Fußball-Weltmeisterschaft eröffnet wird, steht Deutschland bereits als Sieger der Sportwagen-WM fest. Oder ist es doch Österreich? Einigen wir uns auf: Porsche. Vor 100.000 Fans setzen sich Kurt Ahrens und Vic Elford im Porsche 908/03 beim 1.000-Kilometer-Rennen durch, vor ihren Teamkollegen Hans Herrmann und Richard Attwood. Beide Rennwagen werden von Porsche Salzburg eingesetzt. Da es Werksautos sind, sichern sie Porsche vorzeitig den Sieg in der Marken-WM. Attwood und Herrmann gewinnen zwei Wochen später in Le Mans den 24-Stunden-Klassiker.

Datum: 31. Mai 1970
Sieger: Vic Elford, Kurt Ahrens
Auto: Porsche 908/03 Spyder
Distanz: 44 Runden à 22,810 km (Nordschleife)
Siegerschnitt: 165,0 km/h

1983

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Wunderkind: Stefan Bellof fährt die schnellste Runde in der Geschichte der Nordschleife.

Der schnellste Rundenschnitt

47.376.000 Minuten – ungefähr so lange dauern 90 Jahre. Würde man die neun Zehntel eines Jahr­hunderts, die der Nürburgring nun besteht, auf eine einzige Runde runterbrechen, sie würde 6 Minuten, 11 Sekunden und 13 Hundertstel dauern. Exakt so lange benötigt Stefan Bellof am 28. Mai 1983 im Training zum letzten 1.000-Kilometer-Rennen am alten Nürburgring. Die Runde ist wegen der Bauarbeiten am neuen Ring nun verkürzt, die Fahrer starten von der Döttinger Höhe. Statt 22,832 Kilometer misst eine Runde 20,832 Kilometer. Nie vor diesem Tag und nie danach umrundet ein Rennfahrer diese Strecke mit einem Schnitt von mehr als 200 Stundenkilometern. Kein anderer wagt es, in so einem hart abgestimmten Boliden zu fahren, der einen so schmalen Grenzbereich hat. Selbst für das Wunderkind manchmal zu schmal: Tags darauf bekommt sein 650-PS-Porsche 956 am Pflanzgarten Unterluft. Er steigt auf, dreht eine Schraube und knallt mit dem Heck in die Begrenzung. Bellof bleibt unverletzt, der Sieg geht an die Marken-Rivalen bei Porsche: an Jochen Mass und Jacky Ickx.

Datum: 28. Mai 1983 (Training) 29. Mai 1983 (Rennen)
Sieger: Jochen Mass / Jacky Ickx
Auto: Porsche 956 C
Rundenrekord: Stefan Bellof (6:11,13 min)
Distanz: 44 Runden à 20,832 km (Nordschleife)
Siegerschnitt: 165,0 km/h

1993

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Auf Tuchfühlung: Zwischen den Siegern rund um Franz Konrad und dem Zweitplatzierten liegt nicht mal eine Minute. Nur auf dem Podium kommen sie sich noch näher.

Knappe Sache

Das 24-Stunden-Rennen vom Nürburgring 1993 geht in zweifacher Hinsicht in die Geschichte ein: zum einen, weil im Vorprogramm zum letzten Mal die DTM auf der Nordschleife ihre Runden fährt, zum anderen, weil der Kampf um den Sieg so knapp ist wie nie zuvor. Denn die Sieger Franz Konrad, Frank Katthöfer, Örnulf Wirdheim und Antonio de Azevedo im 911 Carrera RSR 3.8 des Teams Konrad Motorsport haben auf der Ziellinie nur 53,2 Sekunden Vorsprung. Porsche jubelt über einen Vierfach-Erfolg – und das bei den Feierlichkeiten zum 30. Geburtstag des 911. Erst 2015 wird es ein noch knapperes Ergebnis an der Spitze geben.

Datum: 12./13. Juni 1993
Sieger: Franz Konrad, Frank Katthöfer, Örnulf Wirdheim, Antonio de Azevedo
Auto: Porsche 911 Carrera RSR 3.8

2010

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Historisch: Trotz des Ausfalls schreibt der Hybrid-Porsche Geschichte.

22:15

Porsche sorgt 2010 für einen Paukenschlag im Rennsport: Mehr als 100 Jahre nach der Jungfernfahrt des von Ferdinand Porsche entwickelten ersten Hybridautos (Lohner-Porsche „Semper Vivus“) präsentiert das Unternehmen den Porsche 911 GT3 R Hybrid. Porsche hat den Mut, sich dem härtesten aller möglichen Tests zu unterziehen, und startet beim 24-Stunden-Rennen auf der Nordschleife. Eine Herkules-Aufgabe: Das Auto ist 150 Kilo schwerer als ein herkömmlicher GT3 R. Doch die Pionierfahrt des Rennwagens wird historisch. Mehr als acht Stunden lang liegt das Auto mit den Piloten Richard Lietz, Martin Ragginger, Marco Holzer und Jörg Bergmeister in Führung. Bis nach 22 Stunden und 15 Minuten im Bereich Metzgesfeld ein kleines Drama geschieht: ein kapitaler Motorschaden. Nicht die Hybrideinheit trägt Schuld, sondern der herkömmliche Verbrennungsmotor. Knapp ein Jahr später sind Lietz und Holzer Teil jener Mannschaft, die bei einem VLN-­Rennen den ersten Hybrid-Sieg auf der Nordschleife erobern wird. Und heute, nur etwas mehr als eine halbe Dekade später, ist Porsche mit einem Hybrid­Antrieb Le-Mans-Sieger und Langstrecken-Weltmeister. Auch in der Formel 1 wird nur noch mit Hybridantrieb gefahren. Eine Idee hat den Rennsport verändert.

Datum: 15./16. Mai 2010
Fahrer: Jörg Bergmeister, Marco Holzer, Richard Lietz, Martin Ragginger
Auto: 911 GT3 R Hybrid

2011

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Spektakel: 100 Piloten bei typisch regnerischem Eifel-Wetter.

Das größte Porsche-Rennen

So etwas hat man selbst am Nürburgring noch nicht gesehen: Beim Porsche Carrera World Cup, dem größten Porsche-Rennen aller Zeiten, starten 100 Teilnehmer aus 25 Nationen – eine logistische Meisterleistung. So liefert beispielsweise Reifenpartner Michelin den Cup-Autos 550 Slicks und 550 Regenreifen. Das Rennen geht über sechs Runden, am Ende steht ein Doppelsieg des österreichischen Teams Lechner Racing. René Rast gewinnt mit 1,9 Sekunden Vorsprung auf seinen Teamkollegen Norbert Siedler – und das unter schwierigen Wetterbedingungen auf nasser Strecke. 74 von 100 Piloten erreichen das Ziel.

Datum: 25. Juni 2011
Sieger: René Rast
Distanz: 6 Runden à 22,810 km (Nordschleife)
Teilnehmer: 100 aus 25 Nationen
Auto: Porsche 911 GT3 Cup

2013

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Der Porsche 918 Spyder: Mit Hybridantrieb in unter sieben Minuten rund um die Nordschleife.

Rasant in die Zukunft

Der Nürburgring: Tradition, Legende, Heldenplatz. Aber ganz sicher nicht nur Vergangenheit. Schon gar nicht an jenem Tag im Spätsommer 2013, als Porsche dort erneut Geschichte schreibt. Der Porsche 918 Spyder (887 PS) umrundet die Nordschleife als erstes Auto mit weltweiter Straßenzulassung in weniger als sieben Minuten. Mit 6 Minuten und 57 Sekunden bleibt Werksfahrer Marc Lieb im Porsche 918 Spyder um 14 Sekunden unter jenem Rekord, der bis zu diesem Tag gegolten hatte. Auch seine Kollegen Walter Röhrl und Porsche-Werksfahrer Timo Kluck bleiben unter der magischen Grenze von sieben Minuten. In einem Sportwagen mit Hybridantrieb.

Datum: 4. September 2013
Rekord: Marc Lieb
Auto: Porsche 918 Spyder
Schnitt: 179,5 km/h

Härtetest: Die legendäre Nordschleife des Nürburgrings

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Porsche hat die Nordschleife des Nürburgrings als einer der ersten Hersteller zu einem wesentlichen Bestandteil des eigenen Testprogramms gemacht. In dem vor 20 Jahren gegründeten Industrie-Pool am Nürburgring sind heute 37 Firmen organisiert – nahezu alle Automobil- und Reifenhersteller. An 56 Tagen im Jahr ist die Strecke jeweils von 8 bis 17.15 Uhr allein für die Versuchsfahrten der im Industrie-Pool vertretenen Firmen reserviert, von Mitte März bis Mitte Oktober. Alle Fahrer sind speziell für den Einsatz auf der Strecke geschult. Nirgendwo auf der Welt lässt sich ein Auto effektiver testen. Das Belastungsprofil der 20,8 Kilometer langen Strecke bildet so gut wie jeden erdenklichen Fahrzustand ab. Der für den Ring angenommene, sogenannte „Raffungsfaktor“ wird mit 1 zu 100 angegeben, das heißt, ein Kilometer Nordschleife entspricht in etwa 100 Kilometern auf der normalen Straße. So kann in vergleichsweise kurzer Zeit ein ganzes Autoleben simuliert werden. Der einzigartige Streckenverlauf mit seinen vielen Senken und Kuppen ist ideal für Dauerlaufversuche und Funktionstests. Was auf der Nordschleife für gut befunden wird, funktioniert überall auf der Welt. Weitere Informationen: www.nuerburgring.de

Text Gerald Enzinger
Fotos Ferdi Kräling, Archiv Porsche, ullstein bild, Rainer W. Schlegelmilch/Getty Images