Porsche - Hier spielt die Musik

Hier spielt die Musik

Sie sorgen dafür, dass ein Porsche wie ein Porsche klingt. Ein Besuch bei den Sound-Designern im Akustiklabor des Forschungs- und Entwicklungszentrums Weissach.

Ein Tonstudio der etwas anderen Art. Die Wände mit grauen, keilförmigen Dämmelementen schallisoliert, in der Mitte ein 911 in Mahagonimetallic auf einem Rollenprüfstand. Davor, was wie ein überdimensioniertes Mikrofon aussieht: eine akustische Kamera. Das Reich der Porsche-Sound-Designer.

Hier im Akustiklabor in Weissach komponieren Dr. Bernhard Pfäfflin, Leiter Entwicklung Schwingungstechnik und Akustik, und sein Team den Porsche-Sound. Der Schallraum erlaubt es, Geräuschquellen ohne Reflexionen aufzuzeichnen und mithilfe der Akustikkamera Geräuschquellen der Autos zu lokalisieren. Die Aufnahmen davon werden in einer Art technischer Mediathek gesammelt.

Mit der akustischen Kamera lassen sich Schallquellen orten und Geräusche sichtbar machen
Chefakustiker Dr. Bernhard Pfäfflin hört genau hin, welche Töne der Elfer von sich gibt

Diese Soundtracks – darunter die durchdringende Saugmelodie der Boxermotoren, das Crescendo der Ventiltriebe oder das verhaltene Trompeten der Auspuffanlage – können am Rechner gemischt und neu abgestimmt werden, ähnlich wie bei einer Musikaufnahme im Studio. Steht ein neues Modell an, wissen die Sound-Experten, wie es klingen wird, noch bevor die Prototypen auf die Strecke rollen. Zudem gibt es permanent etwas zu verbessern, denn die Geräuschvorschriften werden immer schärfer. Die Herausforderung besteht darin, die Autos nach außen hin betont leise zu gestalten – und zugleich nach innen klar und deutlich weiterzugeben, was der Antrieb des Porsche gerade macht. Diesem Sound-Design widmen sich die Weissacher Akustik-Ingenieure mit Hingabe.

Wobei der Begriff Sound-Design irreführend ist. Suggeriert er doch, man könne sich den Klang für die Fahrgeräusche konstruieren und dann einfach vom Band abspielen. Doch das Lied eines Porsche-Motors wird nicht synthetisch aufgebaut, es ist authentisch, betont Pfäfflin: „Es geht darum, die bestehende Akustik vorteilhaft darzustellen. Das ist kein Selbstzweck. Wir versuchen vielmehr, diejenige Botschaft, die ein Motor von allein vermitteln kann, geeignet zu verstärken – oder eben ein wenig zu filtern und einzudämmen, wo bestimmte Obertöne den harmonischen Gesamteindruck stören könnten.“

Angewandte Physik, die auf den Wissenschaftler Hermann Ludwig Ferdinand von Helmholtz zurückgeht, der vor rund 150 Jahren in Berlin lebte und forschte. Seine Erkenntnisse zur Akustik sind bis heute aktuell, unter Sound-Experten gilt die Formel: „Wer den Helmholtz im Griff hat, der hat den Sound unter Kontrolle.“ Der Helmholtz-Resonator hilft seit Jahren, in jedem Porsche den guten Ton zu treffen: Ein kleiner Kasten im Ansaugtrakt, der mithilfe einer elektrisch steuerbaren Klappe den Klang abhängig von Last und Drehzahl variiert – ähnlich wie die Tonklappen beim Saxofon. Doch bei all dem gilt das eiserne Gesetz: Es darf weder Leistung und Drehmoment kosten noch das Gewicht erhöhen. Vom Verbrauch ganz zu schweigen. „Da sind wir bei Porsche unerbittlich. Natürlich ist das Feedback enorm wichtig, das ein guter Sound hervorruft. Doch die Performance steht immer im Vordergrund“, erklärt der Porsche-Chefakustiker.

Um bei der Aufnahme keine Nebengeräusche zu erhalten, absorbieren die gedämmten Wände den Schall

Ein weiteres System, das der Akustikmannschaft hilft, den Sound in Szene zu setzen, ist der Sound-Symposer. Dabei handelt es sich nicht etwa um einen Lautsprecher. Er ist vielmehr eine Art Klangpfad, eine Leitung für Töne, und besteht aus einem Kunststoffschlauch mit einer gasdichten Membran. So transportiert er etwa das leidenschaftliche Trompeten der Ansaugrohre in Richtung Cockpit. Weil viele Fahrer das akustische Geschehen unterschiedlich empfinden, ist das Ganze dosierbar – per Klappenventil und der gasdichten Absperrung über eine Membrane, die so ähnlich funktioniert wie das menschliche Trommelfell.

Heißt in der Praxis: Sobald der Fahrer die Sport-Taste auf dem Mitteltunnel drückt, damit Getriebe, Motor und Fahrwerk direkter und unvermittelter zu agieren beginnen, werden die Klappen im Sound-Symposer und im Helmholtz-Resonator auf direkten Durchgang gestellt. So hat der Fahrer auch auf akustischem Weg ein bisschen mehr von seinem Porsche. Und wen die Intensität der Töne stört, der schaltet alles wieder auf Komfort und rollt leise weiter.

Das akustische Feedback sorgt zum einen für die Extraportion Fahrerlebnis, zum anderen für einen gefühlvollen Umgang mit dem Anstrengungsgrad des Fahrzeugs. Es soll direkt und unmittelbar beim Fahrer ankommen, wie viel von den geschätzten Eigenschaften an Durchzug, Beschleunigung und Tempo gerade abgerufen werden. Bernhard Pfäfflin sieht das wissenschaftlich: „Es geht darum, den Betriebszustand des Autos in der Wahrnehmung exakt abzubilden. Dieser kann sich bei einem Porsche durch gute Beschleunigung und die tollen Bremsen sehr rasch ändern. Zugleich kann die gezielt entwickelte Akustik helfen, dieses Spektrum besser abzuschätzen und präziser einzuordnen.“

Mit dem Kunstkopf auf einem Stativ kann die Wahrnehmung einer stehenden Person simuliert werden

So gelingt es beispielsweise, die Beschleunigung nachvollziehbar zu machen. Ein allzu leises Auto – die Akustiker verwenden hier den Begriff der Entkoppelung – könnte dazu führen, die Geschwindigkeit zu unterschätzen. Mancher Fahrer würde bei 200 km/h glauben, recht langsam unterwegs zu sein. Das wäre nicht nur fatal in Sachen Tempolimit, auch beim Verlassen von Autobahnen über Ausfahrten mit engen Kurven etwa spielt der präzise gefühlte Anstrengungsgrad des Autos eine wichtige Rolle. Wo die Abbildung stimmt, fällt dem Fahrer das Abschätzen der Grenzgeschwindigkeit leichter. Bei einer weitgehend entkoppelten Akustik muss er sich dagegen allein auf den Tacho verlassen, der stets ein abstraktes Signal sendet und damit zu Fehlinterpretationen einlädt.

Ein Großteil der Arbeit der Akustiker besteht darin, irritierende Geräusche zu filtern. Bernd Müller, Sound-Designer für die Baureihe Carrera: „Überspitzt formuliert klingt ein neuer Motor am Anfang wie ein Bündel Ölpumpen auf Reisen.“ Porsche-Modelle haben ja mehrere davon an Bord, und sie prägen den Auftritt eines Prototyps mit ihrem mechanischen Singen, das allen Zahnradpaarungen der Welt zu eigen ist. „Es kommt nun darauf an, diese Geräusche so abzudämmen, dass sie das Fahrgefühl nicht stören.“

Der Kunstkopf auf dem Beifahrersitz zeichnet Geräusche auf, wie sie das menschliche Gehör wahrnehmen würde

Um zum Beispiel das helle Tickern des Ventiltriebs leiser zu gestalten, entwickeln die Akustiker sorgfältig verrippte Ventildeckel. Auch Servomotoren für die Lenkung, Klimaanlage oder der Wischerantrieb haben mit der Kontrolle über das fahrende Auto nichts zu tun und sollen möglichst im Orchestergraben der Unauffälligkeit verschwinden.

Nun könnte man vermuten, dass die Heck- und Mittelmotor-Baureihen 911 und Boxster/Cayman den Job der Akustiker bedeutend einfacher machen als die Modelle, bei denen der Motor vorne sitzt. Schließlich entwickeln sie mit der Boxer-typischen Neigung zu raueren Obertönen einen überaus sportlichen Soundteppich, der stets ein wenig nach Racing klingt und den Appetit auf Drehzahlen förmlich anregt. „Bei Cayenne, Panamera oder Macan ist wohl die Distanz zwischen Motor und Pilot ein wenig größer. Aber der Kern unserer Tätigkeit bleibt gleich: Wir machen das hörbar, was der Motor tut, auch wenn die V-Motoren-Reihen hier ein gemütlicher wirkendes Spektrum entfalten. Das Motiv für unsere Arbeit ist dasselbe: Sobald das Gefühl für die Last des Motors klar und deutlich beim Fahrer ankommt, fährt er besser – und meistens auch ein wenig glücklicher“, erklärt Bernhard Pfäfflin.

Wie gesagt, Geräusche künstlich zu generieren und über Lautsprecher zum Spektrum des Antriebs zu addieren, ist verpönt. Damit verhält es sich so ähnlich wie mit dem Reinheitsgebot des deutschen Bieres, das auf alle künstlichen Aromen und Zusatzstoffe verzichtet. Porsche pur.

Text Michl Koch
Fotografie Bernd Kammerer