Porsche - Leistung mit System

Leistung mit System

Der Cayenne S E-Hybrid ist der jüngste Spross einer Familie mit innovativen Hybridantrieben, deren Entwicklung Porsche mit Hochdruck betreibt.

Er könnte es: sich mit den Reifen in den Asphalt krallen und jede Kurve brüllend vor Freude begrüßen. Doch gemach, zunächst gilt es, die Kinder zur Schule zu fahren. Lautlos und elektrisch, so beginnt jede Fahrt. Er hat eben eine gute Kinderstube und fällt nicht gleich mit der Tür ins Haus.

Der neue Porsche Cayenne ist da, breitschultrig, ein Felsen im strömenden Fluss der Zeit. Eigentlich ist alles wie immer, nur noch ein bisschen perfekter. Und doch: Dieser Cayenne ist anders, er ist eigentlich nicht ein Auto, sondern zwei. Seinen flexiblen Charakter verdankt der Cayenne S E-Hybrid seinem Plug-in-Hybridantrieb. Bei der Kombination aus Elektro- und Verbrennungsmotor kann die Batterie an einer Steckdose oder Ladesäule mit Strom betankt werden. Mit vollem Akku fährt der Cayenne S E-Hybrid bis zu 36 Kilometer rein elektrisch. Genug für viele Alltagswege, auch weil die Leistung ausreicht, um bis auf 125 km/h zu beschleunigen. Unterschreitet der Batterieladezustand einen definierten Wert oder fordert der Fahrer hohe Leistung, schaltet sich der Verbrennungsmotor zu.

Die Antriebstechnik des Cayenne S E-Hybrid in der Durchsicht

Elektro- und Verbrennungsmotor arbeiten auf engstem Raum zusammen. Die E-Maschine mit 70 kW (95 PS) sitzt zwischen dem V6-Motor und dem Achtgang-Automatikgetriebe Tiptronic S. So viel Nähe führt zu symbiotischem Verhalten: Der E-Motor unterstützt den Verbrenner in fast allen Lebenslagen. Geht es um maximale Beschleunigung, addieren sich beide Aggregate zu einer Systemleistung von 306 kW (416 PS). Bei gemächlicher Gangart und prinzipiell auch bei hohen Drehzahlen arbeitet der Verbrenner etwas mehr, als er eigentlich müsste – und lädt so über den Elektromotor die Batterie. Dabei wird gleichzeitig der Verbrenner in einem verbrauchsgünstigen Drehzahl- und Lastbereich betrieben. Von der Zusammenarbeit spürt der Fahrer nur den Vorwärtsdrang, nicht aber dessen Herkunft. „Es war für uns ein wichtiges Ziel, dass der Fahrer den Übergang zwischen den verschiedenen Betriebsarten nicht merkt“, erläutert Jörg Kerner, Leiter der Porsche-Antriebsentwicklung. Und tatsächlich: Nur wer den Drehzahlmesser im Blick behält, kann zielsicher sagen, wann der Verbrennungsmotor anspringt.

Fahren mit Verbrennungsmotor und Elektromaschine: Im Hybridmodus arbeitet der Verbrenner (oben orange) etwas mehr, als er eigentlich müsste, und lädt so über den Elektromotor die Batterie (unten blau).
Fahren mit Elektromaschine: Im E-Power-Modus fließt der Strom aus der Batterie zur E-Maschine, die allein alle vier Räder antreibt. Die Reichweite beträgt 18 bis 36 Kilometer.
Fahren mit voller Leistung: Im Sportmodus sind beide Antriebssysteme auf maximale Leistungsabgabe ausgelegt und bringen zusammen 306 kW (416 PS) auf die Straße.

Die Tankstelle am Ortseingang bleibt links liegen. Der Kraftstoffverbrauch liegt laut vorgeschriebenem Messverfahren (NEFZ) bei 3,4 Liter auf 100 Kilometer. Im Alltag sind es bei regelmäßigem Laden oft weniger. Denn auf kurzen Strecken reicht der elektrische Antrieb völlig. Getankt wird dann Ökostrom in der heimischen Garage mit dem Porsche-Universal-Ladegerät. Praktischerweise lässt es sich im Kofferraum verstauen und sorgt auch unterwegs für ein zuverlässiges und sicheres Laden der Batterie.

Ein Auto mit den Fahrleistungen eines Sportwagens, das weniger CO2 emittiert als ein Kleinwagen ohne Elektroantrieb – es ist eine Handvoll Ingenieure im Entwicklungszentrum Weissach, die sich 2009 so etwas einfallen lässt. „Ein reines Elektrofahrzeug kam für uns nicht infrage“, sagt Uwe Michael. Der Ingenieur war einer der Initiatoren, er leitet die Elektrik- und Elektronikentwicklung. „Wir wollten eine praxistaugliche Lösung.“ Der bereits entwickelte konventionelle Hybridantrieb ermöglicht zwar spürbare Verbrauchseinsparungen. Seine Wirkung ist aber dadurch begrenzt, dass die Batterie nur während der Fahrt durch umgewandelte Bremsenergie und über den Verbrenner (Lastpunktverschiebung) geladen wird. Damit im Alltag neue Verbrauchsrekorde aufgestellt werden können, muss das Auto schneller und weiter elektrisch fahren. Sprich: Die Batterie muss extern geladen werden können und mehr Speicherplatz bieten. Und der E-Motor muss höhere Leistungen abgeben. Die Lösung: Das Spannungsniveau wird von 288 auf 382 Volt erhöht, der Akku von Nickel-Metallhydrid- auf Lithium-Ionen-Technik umgestellt. Hinzu kommt ein Ladegerät, das den Wechselstrom aus dem Netz in batterietauglichen Gleichstrom umwandelt.

Im Mai 2010 ist es soweit: Der erste Plug-in-Hybrid-Porsche, ein von der Lehrwerkstatt umgebauter Panamera, tankt Strom an der eigens in Weissach aufgestellten Ladesäule. Noch im Herbst desselben Jahres fällt die Entscheidung: Dieser Antrieb muss in Serie gehen! Im Sommer 2013 fährt der Panamera S E-Hybrid vor. Nun folgt der Cayenne S E-Hybrid, der im Wesentlichen den Triebstrang der Sportlimousine übernimmt. Um das Mehrgewicht des Cayenne zu kompensieren, erhält dieser eine Batterie mit höherer Energiedichte. Die neue Akku-Generation kann bei gleichem Gewicht rund 15 Prozent mehr Energie speichern.

Kurz vor der Autobahnauffahrt wechselt der Cayenne in den Hybridmodus. Der Akku ist ohnehin bald leer, doch bei der Ankunft sollen die Geschäftspartner beeindruckt werden. Zur Not wäre da noch der E-Charge-Modus, der die Batterie während der Fahrt wieder lädt.

Der Charakterwandel erfolgt auf Knopfdruck. Vier Fahrprogramme haben sich die Ingenieure ausgedacht. Gestartet wird immer rein elektrisch im E-Power-Modus. Ist der Akku (fast) leer, wechselt das Auto in den Hybridmodus, in dem der Verbrenner die Hauptrolle übernimmt. Bei Geschwindigkeiten von weniger als 154 km/h wird der Motor abgestellt und ausgekuppelt, sobald man den Fuß vom Gas nimmt. Dieses „Segeln“ ohne Schleppverluste spart zusätzlich Treibstoff. Im Sportmodus läuft der Verbrenner stetig und die Batterie hält immer genug Energie bereit, um den nächsten Spurt mit maximaler Systemleistung zu absolvieren. Im E-Charge-Modus kann die Batterie auf Wunsch jederzeit ohne Netzanschluss geladen werden – zum Beispiel auf der Autobahn, um später elektrisch durch die Stadt zu fahren.

Fahren ganz ohne Antrieb: Nimmt der Fahrer unter 154 km/h den Fuß vom Gas, wird beim „Segeln“ der Verbrenner abgekoppelt, der Cayenne rollt ohne Schleppverlust.

„Über die Betriebsstrategie haben wir intensiv diskutiert“, erklärt Antriebsentwickler Kerner. Noch mehr Fahrprogramme wären durchaus möglich gewesen. So hat der 918 Spyder zusätzlich einen Renn- und einen Hot-Lap-Modus, bei dem die Hochleistungsbatterie kurzzeitig bis an ihre Grenzen belastet wird. „Aber dieses Auto hat einen anderen Charakter“, sagt Kerner. Und auch physikalisch unterscheidet sich der Antrieb des 918 Spyder: Er hat zwei Elektromotoren. Der eine wirkt zwischen V8-Motor und Getriebe auf die Hinterachse, ein zweiter bringt zusätzliche 95 kW (129 PS) auf die Vorderachse. Wird das maximale Drehmoment von 1280 Newtonmetern abgerufen, ist der Antrieb beider Achsen fahrdynamisch von großem Vorteil.

Ob 918 Spyder oder Cayenne: Die Koordination aller Antriebskomponenten übernimmt ein elektronisches Gehirn, der Hybridmanager, der fester Bestandteil der Motorsteuerung ist. Doch an Bord ist noch weitaus mehr Intelligenz: Das Akkusystem wird von einem Batteriemanager überwacht. Er sorgt dafür, dass die Leistungsaufnahme und -abgabe so erfolgt, dass die Akkukapazität maximal genutzt wird, ohne die Lebensdauer zu beeinträchtigen. Besonders wichtig ist dies, wenn wie beim Cayenne S E-Hybrid mit hohen Strömen geladen wird. Das Fahrzeug kann optional mit einem On-Board-Ladegerät mit 7,2 kW Leistung ausgerüstet werden und benötigt dann nicht einmal anderthalb Stunden, bis ein leerer Akku wieder geladen ist.

Das Ziel in Sichtweite, meldet die Multifunktionsanzeige, dass der Akku wieder voll ist. Wechsel in den E-Power-Modus. Nahezu lautlos gleitet der Cayenne die Auffahrt hinauf.

Text Johannes Winterhagen


Cayenne S E-Hybrid

Motor: aufgeladener Sechszylinder-V-Motor
Hubraum: 2995 cm3
Leistung:245 kW (333 PS)
Max. Drehmoment:440 Nm bei 3000–5250/min
Leistung E-Motor:70 kW (95 PS)
Max. Drehmoment E-Motor:310 Nm < 1700/min
Gesamtleistung:306 kW (416 PS)
Max. Drehmoment gesamt:590 Nm bei 1250–4000/min
0–100 km/h: 5,9 s
Höchstgeschwindigkeit:243 km/h
CO2-Emission (kombiniert): 79 g/km
Kraftstoffverbrauch (kombiniert): 3,4 l/100 km 

Stromverbrauch (kombiniert): 20,8 kWh/100 km
Effizienzklasse: A+


Hybrid: Pionier Porsche

Meilensteine der Entwicklung von Fahrzeugen mit Verbrennungs- und Elektromotor

1900

Mit dem „Semper Vivus“ (übersetzt: immer lebendig) präsentiert Konstrukteur Ferdinand Porsche das erste funktionsfähige Automobil mit Hybridantrieb. Schon damals wählt er die Kombination aus Elektro- und Verbrennungsmotor, um die beschränkte Reichweite eines reinen Elektroantriebs zu umgehen. Das Konstruktionsprinzip des seriellen Hybrids ist jedoch grundlegend anders als heute: Die Elektromotoren sitzen in den Rädern der Vorderachse. Der Strom wird von zwei Einzylindermotoren erzeugt, die auf jeweils einen Generator wirken, nicht aber direkt dem Vortrieb dienen. Wenig später folgt der Lohner-Porsche „Mixte“, das erste Serienhybridfahrzeug der Welt – auch mit Allradantrieb.

2010

Mit der zweiten Generation des Cayenne bietet Porsche erstmals ein Modell mit Hybridantrieb an. Wie beim aktuellen Cayenne S E-Hybrid sitzt der E-Motor zwischen Verbrennungsmotor und Getriebe. Allerdings ist dessen Maximalleistung mit 34 kW deutlich kleiner, sodass nur bis zu einer Geschwindigkeit von 60 km/h elektrisch gefahren werden kann. Zudem speichert der damals verwendete Nickel-Metallhydrid-Akku deutlich weniger elektrische Energie. Trotzdem beträgt der Normverbrauch des Cayenne S Hybrid nur 8,2 l/100 km.

2012

Etwa ein Jahr vor Beginn der Serienproduktion fährt ein Hybrid-Super-sportwagen-Prototyp des 918 Spyder die bis dato schnellste Runde auf dem Nürburgring – doch Marc Lieb unterbietet ihn im Jahr darauf sogar mit einer Rundenzeit von 6:57 Minuten um 17 Sekunden, diesmal mit einem 918 Spyder im Serien-Trim. Das Antriebskonzept ist auf Sportlichkeit ausgelegt: Der V8-Hochdrehzahl-Sportmotor wirkt gemeinsam mit einem E-Motor auf die Hinterachse. An der Vorderachse arbeitet ein weiterer Elektromotor. Diese Form des Allradantriebs sorgt dafür, dass das Drehmoment von bis 1280 Nm sicher auf die Straße kommt.

2013

Mit dem Panamera S E-Hybrid bietet Porsche das erste Modell mit Plug-in-Hybridantrieb an. Trotz sportlicher Fahrleistungen beträgt der Normverbrauch laut NEFZ nur noch 3,1 l auf 100 km – mit Abstand der geringste Wert eines Porsche-Serienfahrzeugs. Die Fachpresse nennt das Auto gar „Öko-Panamera“. Grundlage des niedrigen Verbrauchs ist die mit 36 Kilometern relativ hohe elektrische Reichweite. Gesichert wird sie durch einen modernen Lithium-Ionen-Akku, der an der Steckdose geladen werden kann. Serienmäßig gibt es die spezielle Ladevorrichtungen für die eigene Garage (Wallbox).