Porsche - Unter Druck

Unter Druck

Die Boxermotoren des 911 Turbo setzen seit 1974 technische Maßstäbe – hier einige Highlights

So weise sprach Ben Hur über die vier Pferde, die er vor seinen Wagen spannte: „Einzeln haben sie die Geschwindigkeit eines Adlers und die Leistung eines Löwen, aber sie werden scheitern, wenn sie nicht lernen, gemeinsam zu rennen.“ Die Kunst des antiken Wagenlenkers bestand darin, die ungestüme Leistung arabischer Warmblüter nicht nur in Beschleunigung umzusetzen, sondern gleichzeitig in geordnete Bahnen zu lenken. Ähnliches galt für den Porsche Turbo in den Siebziger- und Achtzigerjahren, dessen Pferdestärken für brachialen Vorwärtsschub sorgten. Doch dann traten die Züchter aus Zuffenhausen und Weissach auf den Plan, um die Entfaltung der Kraft gleichmäßiger zu gestalten, ohne das Renn-Gen zu verwässern. Gleichzeitig sollte der Umgang mit dem wertvollen Kraftfutter in Form flüssiger Kohlenwasserstoffe – gemeinhin Benzin genannt – sparsamer gestaltet werden.

Porsche betrat mit seinen Turbomotoren für die Straße Neuland, während andere Automobilher­steller auf große Hubräume setzten. Der schlanke 911 bot keinen Platz für einen Acht- oder Zwölf­zylinder, der Weg, mit einem und später zwei Turboladern zusätzliche Luft in den Motor zu schieben, war also eine der eigenen Sportlichkeit geschuldete Diät. So stieg der Hubraum des Sechszylinder­motors von 1974 bis zur aktuellen Generation nur von 3,0 auf 3,8 Liter, während die Leistung sich von 191 auf 383 Kilowatt im 991 Turbo verdoppelte (991 Turbo S: 412 kW).

Zu kämpfen hatten die Porsche-Ingenieure zudem mit der Physik: Das Gesetz der Massenträgheit besagt, dass alles, was beschleunigt werden soll, erst angeschoben werden muss. Dies gilt auch für die Turbine des Turboladers, die nach einem Tritt aufs Gaspedal ein wenig Zeit braucht, um ihre volle Drehzahl von rund 200 000 Umdrehungen pro Minute zu erreichen. Erst wenn genügend heißes Abgas aus dem Motor in die Turbine strömt, kann der Verdichter fleißig Luft in den Motor schaufeln. Immerhin setzt Porsche im 911 Turbo schon seit 1977 einen Ladeluftkühler ein. Da kühle Luft weniger Raum beansprucht als warme, erhöht sich der Sauerstoff-Durchsatz. Die weiteren Meilensteine der Turboentwicklung zeigt die folgende Übersicht.

1977 Ladeluftkühlung
911 Turbo 3.3 (930)

Der Ladeluftkühler (oben) sorgt für eine bessere Füllung und mehr Leistung

1990 Metallkatalysator
911 Turbo 3.3 (964)

In den Neunzigerjahren gewann die Turboentwicklung an Fahrt. Zunächst musste allerdings den strenger werdenden Abgasrichtlinien Genüge getan werden. Porsche-typisch gab man sich nicht mit den auf dem Markt erhältlichen Abgaskatalysatoren zufrieden. Gemeinsam mit einem damals sehr kleinen Zulieferer entwickelte man einen Katalysatorträger, der aus Metall statt der üblichen Keramik bestand. Da Metall sich schneller aufheizt, kommt dieser Kat schneller auf seine Betriebstemperatur. Neben dem Metallkatalysator zogen in den Turbo die K-Jetronic mit Lambdaregelung, eine elektronische Kennfeldzündung und ein größerer Ladeluftkühler ein.

1995 Biturbo
911 Turbo (993)

Beim 993 Turbo kamen statt eines einzelnen großen Turboladers nun zwei kleinere zum Einsatz – der Biturbo war geboren. Dass in diesem Fall zwei mehr als die Addition von eins und eins ist, liegt daran, dass ein kleiner Lader schneller auf Touren kommt – seine Massenträgheit ist eben geringer. Dementsprechend beschleunigte der 993 Turbo aus dem unteren Drehzahlbereich heraus nochmals deutlich besser. Und dank des Onboard-Diagnose-II-Systems war er das emissionsärmste Serienfahrzeug der Welt.

2000 VarioCam Plus
911 Turbo (996)

Die Jahrtausendwende brachte neben der Wasserkühlung die variable Ventilsteuerung VarioCam Plus. Was kompliziert klingt, ist in seiner Wirkung erstaunlich einfach: Fordert der Fahrer die volle Leistung seines Wagens ab, öffnen sich die Einlassventile besonders weit und sehr früh, sodass besonders viel Luft-Kraftstoff-Gemisch in den Motor strömen kann. Bei niedrigen Drehzahlen und geringem Drehmomentbedarf öffnen sich die Ventile nur wenig und deutlich später. Dadurch verringert sich die Verlustleistung, die Verbrennung wird stabiler und sauberer. Allein im Leerlauf sank der Verbrauch durch diese Maßnahme um 13 Prozent.

2006 VTG
911 Turbo 3.6 (997)

Der nächste Schritt folgte im Jahr 2006: die variable Turbinengeometrie (VTG). Mit ihrer Hilfe ist es möglich, die im Abgas enthaltene Energie im Lader optimal zu nutzen. Strömt – etwa bei einer schnellen Autobahnfahrt – viel Abgas in Richtung Turbine, öffnet ein elektrischer Steller die vor der Turbine angebrachten Leitschaufeln.

Wieder gilt: viel Luft gleich viel Leistung. Bei niedriger Drehzahl hingegen verengen die Schaufeln den Querschnitt vor der Turbine. Entscheidend ist das beim Tritt aufs Gaspedal nach einer Bummelfahrt: Der kleinere Querschnitt beschleunigt die durchströmende Luft und sorgt so dafür, dass der Lader deutlich schneller auf Touren kommt. Seit Einführung der variablen Turbinengeometrie sieht die Drehmomentkurve des Turbomotors wie ein Tafelberg aus, nach steilem Anstieg wird rasch der Gipfel erreicht.

2009 Direkteinspritzung
911 Turbo 3.8 (997)

2009 führte Porsche die Benzindirekteinspritzung ein. Der 911 Turbo übersprang damit die Marke von 368 kW (500 PS). Benzin direkt in den Zylinder einzuspritzen, wirkt sich positiv auf den Kraftstoffverbrauch aus. So kann die Motorleistung wesentlich ohne Drosselklappe geregelt werden. Der direkt eingespritzte Kraftstoff kühlt den Brennraum und ermöglicht so eine höhere Verdichtung. Dass der Verbrauch um mehr als einen Liter je 100 Kilometer sank, ist auch auf das Porsche-Doppelkupplungsgetriebe zurückzuführen.

2013 Start-Stopp
911 Turbo (991)

Beim aktuellen Turbo bestand das Ziel darin, den Normverbrauch unter zehn Liter zu drücken und gleichzeitig die Leistung und das Ansprechverhalten nochmals zu steigern. Der neue Motor wird im Schubbetrieb abgestellt und ausgekuppelt, gleiches gilt für den Stopp an der Ampel. Doch irrt, wer glaubt, er reite einen sanften, domestizierten Gaul. Ein Streicheln des Gaspedals nur, und 560 Pferde werfen sich ins Geschirr.