Porsche - Stop and go

Stop and go

Rennen werden nicht allein auf der Strecke gewonnen oder verloren. Die Arbeit der Mannschaft in der Box spielt eine entscheidende Rolle. Die Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) wartet dabei mit einer besonderen Herausforderung auf: Hier gilt es, in möglichst kurzer Zeit Reifen- und Fahrerwechsel sowie den Tankvorgang perfekt zu koordinieren. Ein beispielhafter Boxenstopp des Porsche-LMP1-Teams. Rasante 50 Sekunden – erklärt in sechs Schritten.

Abtrocknende Strecke. Timo Bernhard fährt ein packendes Rennen. Der Porsche-Werksfahrer erzielt mit dem 919 Hybrid sehr gute Rundenzeiten. „Box, Timo, Box“, funkt der Renn­ingenieur und bittet zum Komplettservice: Tanken, Reifen- und Fahrerwechsel. Für rund 50 Sekunden ist es jetzt das Rennen der Boxenmannschaft. Jeder Handgriff sitzt, ist tausendmal trainiert. Wie auf der Strecke geht es um Zehntelsekunden, die Crew will schneller sein als die der Konkurrenz. Der Druck ist gewaltig. Im Langstreckensport wird bei jedem planmäßigen Stopp getankt. Während des Tankvorgangs die Räder zu wechseln, ist verboten. Das geschieht anschließend. Um die Standzeit zu optimieren, erfolgen Reifen- und Fahrerwechsel möglichst bei ein und demselben Halt. Ein extra Stopp würde zu viel Zeit kosten. Eingangs der Boxengasse bremst Timo auf 60 km/h herunter. Er stöpselt die Funkverbindung aus und zieht den Trinkschlauch ab. Dann geht’s los.

00,00 Sekunden
Anfahrt
60 km/h maximal

Die Boxengasse ist ein gefährlicher Ort, hier auch noch rutschig vom Regen. Die Punktlandung mit dem Prototyp ist eine Kunst. Der Lollipop-Mann ist der Einzige, der jetzt schon in der Boxengasse sein darf. Er darf das Auto nicht berühren und muss beim Losfahren sicherstellen, dass die Boxengasse frei ist. Die Mechaniker müssen hinter der Linie warten, bis das Auto komplett steht.

01,00 Sekunde
Tanken
30 Mal in 24 Stunden

Das Auto muss beim Tanken auf den Rädern stehen. Maximal zwei Mechaniker dürfen tanken. Parallel reißt sich Timo die Gurte vom Leib und die winzige Tür auf. Die Ablösung naht: Brendon Hartley läuft auf ihn zu. In Froschposition auf der Haube sorgt ein Mechaniker für klare Sicht. Maximal zwei Helfer sind zum Putzen von Scheibe, Scheinwerfern, Rücklichtern und Kamera erlaubt. Einer zum Auslesen von Daten.

20,00 Sekunden
Fahrerwechsel
3 Mann, 1 Auto

Timo und Brendon teilen sich den Porsche 919 Hybrid mit der Nummer 20, Dritter im Bunde ist Mark Webber. Timo ist zehn Zentimeter kleiner als die anderen beiden, deshalb fährt er mit einer eigenen Sitzschale, die er beim Aussteigen mitnehmen muss. Maximal 68,3 Liter Kraftstoff dürfen mitgeführt werden. Der komplette Tankvorgang dauert rund 30 Sekunden und wird in 24 Stunden etwa 30 Mal fällig.

30,00 Sekunden
Aufbocken
Mit 50 bar aufwärts

Sobald die Tankwarte sich vom Auto losgerissen haben, stürzt der Mann mit dem Pneumatikschlauch ans Heck. Mit einem rumpelnden Geräusch erhebt sich der 870 Kilogramm leichte Prototyp. Und sofort flitzt dieser Mechaniker wieder zurück hinter die Linie. Brendon hat mittlerweile die Tür geschlossen, braucht aber Hilfe beim Anschnallen. Deshalb liegt ein Mechaniker auf dem Seitenkasten und assistiert.

40,00 Sekunden
Radwechsel
4 Räder, 2 Mechaniker

In der WEC dürfen nur zwei Mechaniker gleichzeitig beim Radwechsel arbeiten, und es darf immer nur ein einziger Schlagschrauber aktiv sein. Um dennoch so schnell wie möglich zu arbeiten, gibt es ausgeklügelte Choreografien. Auf jeder Seite löst ein Mann die Räder und nimmt sie ab. Zum Aufstecken der neuen Räder übernimmt ein Mechaniker die Vorder-, ein anderer die Hinterachse.

50,00 Sekunden
Abfahrt
1053 Mal Drill

Nach rund 50 Sekunden ist alles erledigt. 1053 Mal hat die Crew das allein im Vorbereitungsjahr in Weissach geübt. Die Stopps sind körperlich extrem anstrengend. Ein komplettes Rad mit Reifen wiegt rund 25 Kilogramm. Weg mit dem Pneumatikschlauch. Das Auto kracht zu Boden. Brendon gibt Gas. Aber bitte kein Kavalierstart: Durchdrehende Räder beim Anfahren werden bestraft.

Text: Heike Hientzsch
Fotografie: Jürgen Tap